Der Bedeutungsverlust des Marketings

Den CMO von heute plagt ein dumpfes Bauchgrummeln: Welchen Anteil hat seine Abteilung an der Wertschöpfung seines Unternehmens und wie weit reicht ihr Einfluss bei strategischen Unternehmensentscheidungen überhaupt noch? Ja, das Bauchgrummeln ist berechtigt: Das Marketing hat deutlich an seiner ursprünglichen Bedeutung eingebüßt. Der schwindende Einfluss bei unternehmensstrategischen Entscheidungen und die steigende Bedeutungslosigkeit des Marketings bei der Wertschöpfung ist seit gut 25 Jahren beobachtbar und inzwischen empirisch untersucht und belegt.
Die jüngste Studie, von Batten Company in Kooperation mit der Universität Köln (Masuch, C./ Völckner, F. (2019), bekräftigt ein Bild, das schon Studien aus den Jahren 1999 und 2015 (Homburg et al. (1999), Homburg et al (2015)) (sehr differenziert untersucht haben.

Das erstaunliche daran ist, dass das Marketing vor allem dort an Bedeutung verloren hat, was nach der reinen Lehre eigentlich zu Ihren Kernkompetenzen gehören sollte:

Bei Entscheidungsprozessen zur „geografischen Marktstrategie“, „Preisdefinition“, „Auswahl strategischer Business-Partner“, oder „strategischen Ausrichtung von Geschäftseinheiten“, sind die Marketer inzwischen nur noch Zaungäste (vgl. Homburg et al. (1999), Homburg et al (2015)).

Soweit gut. Aber wer in den Unternehmen sind stattdessen die Gewinner dieser Entwicklung und warum?

Am auffälligsten haben die Vertriebsabteilungen ihren Einfluss bei strategischen Unternehmensentscheidungen ausbauen können. Speziell, wenn es um Produktentwicklung und Pricing geht, ist der Einfluss des Vertriebs – sehr zur Überraschung der Finanz- und der Marketingabteilungen – deutlich angestiegen.

Das mag auf dem ersten Blick nicht verwundern, beansprucht doch der Vertrieb das Thema Kundennähe: „Wir sind am Kunden dran, wir wissen was der Kunde will und was er bereit ist zu bezahlen“, argumentieren sie. Begünstigt wurde diese neue Rollenverteilung durch die auf kurzfristiges Profitdenken ausgerichtete Shareholdervalue-Mentalität. So wurden die Kräfte im Unternehmen gestärkt, die schnelle Profite versprachen.

Allerdings gibt es für das Marketing auch erfreuliche Entwicklungen:

Wenn es um Werbung, Kommunikation sowie um kundenorientierte Themen, wie Kundenzufriedenheitsmessungen und die Entwicklung von Programmen zur Steigerung der Kundenzufriedenheit geht, hat das Marketing an Bedeutung hinzugewonnen,. Klasse!
Marketer haben damit Ihre Position als Customer-Feelgood-Manager und Werbefuzzies ausbauen können! Gerne überlassen die Unternehmen dem Marketing auch so wichtige Kompetenzfelder, wie Social-Media-Voodoo, sowie Content-Design und –Marketing.

Um nicht ganz in den Keller der strategischen Bedeutungslosigkeit zu fallen, werden CMOs nicht müde, die Wichtigkeit von Branding und Marke für die Unternehmen zu propagieren. Dieser zweifelsohne wichtige Themenbereich sollte oberste strategische Bedeutung im Unternehmen haben. Denn die Identität und Kultur eines Unternehmen , die Art und Weise wie es sich im Markt vom Wettbewerb abgrenzt und durch seine Markenkommunikation Kaufpräferenzen beim Kunden ausbildet, ist ein wichtiger Eckpfeiler für den Erfolg eines Unternehmens.

Schaut man jedoch genauer hin, stellt man fest, dass sich das Thema Branding und Markenführung meist auf Markendesign und Messaging beschränkt. Von einem konsequent gelebten, strategisch angelegten 360°Grad-Markenansatz ist in den wenigsten Unternehmen ernsthaft etwas zu spüren.
Purpose, Mission, Vision, Produkt- und Serviceportfolio, Preisgestaltung, Kundensegmentiert, also das WAS, das WARUM und das WIE eines Unternehmens wird vom Marketing bestenfalls als gegeben angenommen. Wie diese Studien aber aufdecken, eben nicht aktiv mitgestaltet und mitentschieden (Homburg et al. (1999), Homburg et al (2015), Masuch, C./ Völckner, F. (2019)).

Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Frage, wie die Markenführung vor dem Kontext des digitalen Wandels gelingen kann, alle Augen im Unternehmen auf den CMO gerichtet sind. Diesen Ball nimmt man dann doch gerne auf, bevor man komplett marginalisiert wird. Doch trotz vieler Initiativen, Transformationsprojekten und Unternehmensberatungen, die hier attraktive Lösungen versprechen, können diese Bemühungen nur Symptome kurieren.

Am eigentlichen Problem – dem unternehmensweiten Bedeutungsverlust in den angestammten Kernkompetenzen des Marketings – gehen sie jedoch klar vorbei. Es wird entweder nicht erkannt oder negiert.

Das ist nicht hilfreich – weder für die Marketingabteilungen in Bezug auf ihre wachsende Bedeutungslosigkeit noch für die Unternehmen selbst. Denn auch das wird durch die Studien deutlich: Unternehmen mit einem starken Marketing, geht es wirtschaftlich besser, denn Marketing schafft es das lähmende
Silodenken aufzubrechen und Wachstum durch neue Impulse von Außen zu befeuern (vgl. Homburg et al. (1999), Homburg et al (2015)).

Hypothesen für ein Starkes Marketing

Aber wir wollen nicht in Lamoyanz verharren, sondern positiv nach vorne blicken.

Die Frage, die sich aufdrängt ist: In welchen Feldern muss das Marketing seinen strategischen Einfluss verstärken und inwiefern wirkt sich das positiv auf den Unternehmenserfolg aus?

Wir sehen unter anderem drei Felder, die hierfür relevant sind:

Kunden:

Marketing ist der Advokat des Kunden. Damit ist gemeint, dass das Marketing durch seine Denkweise einen kunden-/nutzenzentrierten Denk- und Handlungsansatz ins Unternehmen bringt. Anders als der Vertrieb, fragt das Marketing nach den Wünschen  sowie nach den Pain-Points seiner Kunden und nicht was das Unternehmen aktuell anzubieten hat und was davon gerade gut, an wen, meistbietend verkauft werden kann.
Die eine Denkweise, führt zur stetigen Weiterentwicklung, in dem Maße, wie sich Märkte und Kundenpräferenzen verändern und damit zu einer gesteigerten Anpassungs- und Lernfähigkeit der Unternehmen.

Die andere Denkweise, führt zu immer Mehr vom Selben oder zu Mee-too.
In sich schnell veränderten Kontexten führt die vertriebsorientierte Denkweise zu einer toxischen Entwicklungsspirale, die langfristig die Innovations- und Anpassungsfähigkeit der Unternehmen unterminiert – auch wenn kurzfristig vielleicht der Profit stimmt. Jedem ist eigentlich bewusst, dass durch die Digitalisierung der Innovations-, Veränderungs- und Anpassungsdruck immer größer wird. Der Kunde rückt unaufhaltsam näher ins Zentrum der Unternehmen – einfach, weil es technisch machbar ist. Damit verschwinden die natürlichen Grenzen und Institutionen, die bislang die Unternehmen von der Außenwelt getrennt und die Prozessgeschwindigkeiten definiert haben.

All das zusammen verändert die Art und Weise, wie Unternehmen in diesem neuen Kontext geführt werden müssen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.

Branding:

Marketing steigert den Unternehmenswert und -performance.

Durch die Arbeit des Marketings, wird gewährleistet, dass durch einen 360-Grad-Blick auf das Unternehmen, die Brand Equity aktiv entwickelt wird, ohne dass es dabei zu Brüchen in der Markenerfahrung beim Kunden kommt. Und eine aktiv entwickelte und gesteuerte Marke kann sich schnell an veränderte Märkte anpassen, ohne seine Markenessenz zu verleugnen. Eine klassische Führungsaufgabe also, die sicherstellt, dass Kunden in unübersichtlichen Märkten weiterhin Orientierung bekommen und einem Unternehmen, dem sie vertrauen treu bleiben.
Und: Alle Untersuchungen zeigen, dass sauber durchdachte und zu 100% auf die Kundenbedürfnisse hin ausgerichtete Marken in der Lage sind zwischen 14% bis zu 30% höhere Preise als ihre Mitbewerber zu erzielen. (vgl. Steenkamp, J.-B. E. M./ Van Heerde, H. J./ Geyskens, I. (2010), Dwivedi, A./ Nayeem, T./ Murshed, F. (2018))

Produkt

Marketing steigert die Akzeptanz von Produkten beim Kunden.

Research und Development (R&D) haben eher das technisch Machbare im Blick ihrer Arbeit. Marketingabteilungen hingegen bringen die Bedürfnisse der Kunden ins Spiel, wodurch gewährleistet wird, dass R&D-Abteilungen nicht in die falsche Richtung laufen. Damit ist man nachher nicht gezwungen etwas, was halb am Markt vorbei entwickelt wurde, unter allen Umständen verkaufen zu müssen, nur um die horrenden Entwicklungskosten wieder rein zu spielen.

Es ist einleuchtend, dass die Zahlungsbereitschaft und die Vermarktungschancen von Produkten bzw. Dienstleistungen, um ein Vielfaches höher sind, wenn von vornherein klar ist für welche Kunden und für welches Kundenbedürfnis sie entwickelt wurden. Der Profit ist dabei unter Umständen auch höher, weil schon vor Markteinführung eine Vorstellung davon entwickelt wurde, was Kunden für ein Produkt bereit wären zu zahlen.

Make Marketing Great Again!

Also noch mal alle zurück auf Los:
Was ist die eigentliche Aufgabe des Marketings? Es gibt eine Vielzahl von Definitionen darüber, was das Marketing sein sollte. Je nach dem aus welcher Perspektive es betrachtet, gibt es beziehungs-, führungs-, aktivitätsorientierte oder integrative Marketingdefinitionen. Aber alle lassen sich auf den zentralen Satz zusammenfassen:

„Marketing ist strategische Unternehmensführung aus Marktperspektive.“

Für ein einfache Handhabung und praktische Umsetzung, kann man die klassischen Gestaltungsfelder des Marketings, die vier Marketing-P’s – Product, Price, Place und Promotion/PR nutzen

Durch diese – offen gesagt sehr vereinfachte Definition – verlieren die anderen Definitionen (siehe: wikipedia oder Gablers Wirtschaftslexikon) nichts von ihrer Relevanz. Ganz im Gegenteil: Sie fügen sie dieser Definition noch weitere Perspektiven und Argumente hinzu, warum das Marketing für den Unternehmenserfolg unerlässlich ist.

Die beschriebenen Beobachtungen und unsere Überzeugung, dass Marketing mehr ist, als die Verantwortung für hübsche Logos, lustige Kracher-Kampagnen und dem Social Media-Management der Unternehmen haben uns – Tobias, Jürgen und Alex – zusammengeführt. Wir haben uns die Frage gestellt, wie wir Unternehmen mit unseren Erfahrungen und Expertisen dabei unterstützen können, dass das Marketing die Aspekte des Marktes und der Kunden wieder umfassend in die strategische Steuerung der Unternehmen einbringen kann. Das Ergebnis ist ein 360 Grad-Ansatz bestehend aus strategischer Markenentwicklung- und führung sowie einer systemischem Change Management und Organisationsentwicklung in Verbindung mit ganz viel Erfahrung und Leidenschaft für Kommunikation, Produkt- und Dienstleistungsdesign, Pricing und Vermarktung. Und last but not Least, unserem Brennen für kontinuierliche Weiterentwicklung: Positioning 4 Change eben.

Dafür verteufeln wir Stillstand und meiden seichte Gewässer!

Referenzen:

Masuch, C./ Völckner, F. (2019): Markenmanagement im digitalen Wandel: CMOs intern unter Druck, 01.07.2019

Christian, H./ Vomberg, A./ Enke, M./ Grimm, P.H. (2015): The loss of the marketing department’s influence: Is it really happening? And why worry?, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 2015, Vol. 43, S. 1–13

Homburg, C./ Workman, J. P., Jr./ Krohmer, H. (1999): Marketing’s influence within the firm, in: Journal of Marketing, 1999, Vol. 63, S. 1–17

Steenkamp, J.-B. E. M./ Van Heerde, H. J./ Geyskens, I. (2010) What makes consumers willing to pay a price premium for national brands over private labels?, in: Journal of Marketing Research, 2010, Vol. 47, n. 6, S. 1011–1024

Dwivedi, A./ Nayeem, T./ Murshed, F. (2018): Brand experience and consumers’ willingness-to-pay (WTP) a price premium: Mediating role of brand credibility and perceived uniqueness, in: Journal of Retailing & Consumer Services, 2018, Vol.44, S. 100–107.